Auszug aus "Schritte zur ökologischen Marktwirtschaft"
von Gerhard Maier-Rigaud
Einführung
Ökologische Marktwirtschaft - Vom Schlagwort
zur Programmatik
Der Interaktionsprozeß von Wissenschaft, Gesellschaft und Politik
geht zuweilen seltsame Wege. Vielfach mühen sich Wissenschaftler jahrelang
ab, um bestimmte Einsichten innerhalb der Scientific Community zu vermitteln
und so weit voran zu bringen, bis sie schließlich politisch relevant
werden. Nicht selten ist es aber auch so, daß Begriffe und damit
usammenhängende vage Vorstellungen bis zur politischen Schlagwortwelt
vordringen, noch bevor sie einen Klärungsprozeß in der Wissenschaft
durchlaufen haben. Letzteres gilt sicherlich für die Begriffe ökologische
Marktwirtschaft oder ökologisch verpflichtete soziale Marktwirtschaft.
Für die Umweltpolitik könnte das eine große Chance sein,
wenn es gelänge, aus den Schlagworten einen
konzeptionellen Grundkonsens für die politische Auseinandersetzung
zu machen. Voraussetzung dafür ist aber zumindest eine wissenschaftliche
Nachbereitung. Und diese scheint in vollem Gange zu sein, so daß
man glauben könnte, ein gutes Stück Arbeit sei bereits geleistet.
Hier soll dieser Vorstellung nicht gefolgt werden. Es wird vielmehr
die Auffassung vertreten, daß der Gegenstand dort, wo er intensiv
bearbeitet worden ist, von einer zweifelhaften Axiomatik aus betrachtet
wird und an anderen Stellen erst oberflächlich gestreift oder lediglich
politisch instrumentalisiert wurde. Die analytische Aufarbeitung der in
der ökologischen Zielsetzung liegenden Herausforderung für die
Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung steht erst am Anfang.
Die Ebnung des Weges in Richtung ökologische Marktwirtschaft verlangt
eine Rückbesinnung auf die Grundlagen der Wirtschaftsordnung. Dabei
muß an erster Stelle die Einsicht stehen, daß zum Koordinierungsverfahren
Markt keine Adjektive passen. Märkte haben niemals die Eigenschaft,
sozial oder ökologisch zu sein. Das Instrument Marktwirtschaft kann
in seinen konkreten historischen Ausprägungen nur als mehr oder weniger
effizient im Hinblick auf die Erreichung der individuellen Präferenzen
bezeichnet werden. Doch die Marktwirtschaft "verbürgt als solche noch
nicht, daß in ihr bestimmte Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit,
Wohlstand und Sicherheit erreicht werden. Sie bietet sich lediglich als
Instrument an, möglichst viele dieser Werte zu realisieren". Wenn
daher von sozialer Marktwirtschaft gesprochen wird, so bedeutet das, daß
staatliche Bedingungen gesetzt werden, um soziale Aufgaben zu erfüllen,
und zwar "ohne Störung des Marktapparates". Analog dazu ist auch der
Begriff ökologische Marktwirtschaft zu interpretieren. Es geht also
bei einer Marktwirtschaft mit Adjektiven nicht darum, dem Koordinierungsinstrument
selbst bestimmte Eigenschaften zuzuschreiben, sondern den Rahmen, innerhalb
dessen Marktprozesse stattfinden, hervorzuheben. In diesem politisch-programmatischen
Sinne soll hier der Terminus ökologische Marktwirtschaft verstanden
werden.
Ökologische Marktwirtschaft impliziert die permanente Weiterentwicklung
eines ordnungspolitischen Arrangements zur Erhaltung der natürlichen
Lebensgrundlagen, dem ersten Ziel des Wirtschaftens überhaupt. Das
bedeutet aber weit mehr als die Berücksichtigung der marktwirtschaftlichen
Steuerungslogik in der Umweltpolitik. Denn der fallweise Rückgriff
auf Preise und Märkte zur Erreichung vordefinierter Lösungen
und Strukturen hat mit Marktwirtschaft wenig zu tun. Im Ergebnis würde
der Weg zum ökologischen Verordnungsstaat lediglich unter dem Etikett
ökologische Marktwirtschaft fortgeführt werden. Es ist deshalb
notwendig, den Begriff ökologische Marktwirtschaft von vornherein
anspruchsvoller zu verstehen. Es geht nicht nur um marktwirtschaftliche
Instrumente, sondern vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit als regulativer
Idee u.a. auch um die Entwicklung von Zielhierarchien sowie um eine Theorie
der Umweltpolitik.
Aber der wirtschaftswissenschaftliche und der gesellschaftspolitische
Diskurs sind nicht nur von alledem weit entfernt. Es fehlt bisher auch
die Aufarbeitung einiger überkommener Denkmuster und Begriffe einer
Ökonomie, deren Erkenntnisinteresse traditionell auf Marktprozesse
gerichtet ist und bei der folglich die "Figur Staat" vielfach auf Hilfsfunktionen
für die Privatökonomie reduziert wird. Ansonsten aber gilt der
Staat eher als eine Institution, welche die privatökonomischen Entwicklungsmöglichkeiten
einschränkt.
Im Kontext dieser Vorstellung von der Rolle des Staates steht auch das
bescheidene Niveau des makroökonomischen Diskurses seit dem Übergang
zur Angebotspolitik etwa Mitte der 70er Jahre. Eine Ökonomie, die
in den letzten 20 Jahren in beschäftigungstheoretischer Hinsicht wenig
mehr zu bieten hatte als Rezepte für den Export von Arbeitslosigkeit,
die also Beschäftigung in einer geschlossenen Volkswirtschaft nicht
erklären kann, tut sich naturgemäß auch schwer mit der
prozeß- und ordnungspolitischen Einordnung des öffentlichen
Gutes Umweltqualität, der Umweltpolitik und dem Ziel der Erhaltung
der Funktionsfähigkeit der Öko-Systeme im ganzen. Auf was sollte
diese Ökonomie die Kompetenz für die Perspektive einer
Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit gründen können, wenn
sie sich auf ihrem originären Feld der Beschäftigungstheorie
fast wieder auf dem Niveau zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise bewegt?
Die im folgenden abgedruckten 21 Beiträge sind seit 1980 aus verschiedenen
Anlässen entstanden. Sie sind fünf verschiedenen Themenblöcken
zugeordnet. Jeder Beitrag ist für sich genommen zu verstehen als Versuch
eines Schrittes in Richtung einer Ordnung der Wirtschaft, die insgesamt
die Herausbildung von nachhaltigen Formen des Wirtschaftens generieren
soll. Die nachstehende kurze Charakterisierung der einzelnen Beiträge
soll zugleich Leitfaden und Überblick sein.
Das Kapitel "Interpretationen und Irritationen" bietet vier Aufsätze,
in denen grundlegende Fragen des Verhältnisses von Ökonomie und
Ökologie reflektiert werden. Ausgangspunkt ist die herrschende triviale
Festlegung, daß es langfristig - und auf Dauer - keinen Konflikt
zwischen Ökonomie und Ökologie gibt, weil eine Volkswirtschaft
ohne ökologische Basis nicht vorstellbar ist. Doch dies allein kann
keineswegs die vielfach beschworene Versöhnung rechtfertigen. Deshalb
ist es auch nicht überraschend, daß wir nach wie vor mit der
Hypothese eines Konflikts konfrontiert werden.
Der erste hier abgedruckte Beitrag "Auf der Suche nach einem Konflikt"
kommt zu dem Ergebnis, daß die Konflikthypothese nichts anderes ist
als die Folge von hergebrachten reduktionistischen Bildern der Wirtschaftswissenschaft.
Nur über die Reflexion dieser Bilder können die Voraussetzungen
für die Re-Integration ökologischer Präferenzen in die Welt
der Ökonomie geschaffen werden.
In die gleiche Richtung zielt auch der Beitrag "Die Umweltzerstörung
Eine Folge unserer Denkmuster?" . Hier wird versucht, einige jener Vorstellungen
zu identifizieren, die von der Ökonomie im Laufe der letzten 200 Jahre
etabliert worden sind und die nun im Lichte der ökologischen Herausforderung
zurechtgerückt werden müssen. Gleichzeitig wird in diesem Beitrag
aber auch auf jene Ansätze eingegangen, die zeigen, daß die
Geschichte der ökonomischen Analyse tatsächlich mehr zu bieten
hat und es im Grunde nur darauf ankommt, die ökologische Frage mit
adäquaten Theoriemustern zu behandeln.
Im Beitrag "Bevölkerungswachstum und Naturhaushalt" werden Aspekte
aufgegriffen, die mit der geistesgeschichtlichen Grundlage des Liberalismus
zu tun haben und von daher erklären könnte, weshalb nicht hinreichend
klar geworden ist, daß es keinerlei Mechanismen gibt, die einen positiven
Ausgang des Experiments mit der Erde sicherstellen könnten. Das Wissenschaftsprogramm
der Ökonomie ist zwar darauf gerichtet, die Möglichkeit von Gleichgewichten
zu hinterfragen, aber sie macht das kaum im Popperschen Sinne, also im
Sinne einer Falsifikation der Harmoniehypothese. Ökonomen versuchen
vielmehr, die Richtigkeit ihres vorwissenschaftlichen Gleichgewichtdogmas
zu belegen. Damit aber schärfen sie nicht den Blick für die Entwicklungsrisiken,
sondern stärken den Glauben an die "invisible hand" die alles richten
wird.
Ein Beispiel für die Art und Weise, wie bestimmte ökonomische
Denkmuster mit ökologischen Fragen zusammengeführt und wie wenig
erstere in bezug darauf neu reflektiert werden, bieten die ersten drei
Hauptgutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen
(SRU). Der Beitrag "Zehn Probleme der ökonomischen Wahrnehmung von
Umwelt." zeigt die Zähigkeit, mit der von ökonomischer Seite
an hergebrachten Mustern festgehalten wird.
Im Kapitel "Analyse statt Evidenz" wird anhand von fünf Beispielen
gezeigt, wie bescheiden im Kern der analytische Anspruch der (Umwelt-)Ökonomie
ist. Vordergründige Evidenz gepaart mit normativ-politischen Bekenntnissen
und Absichten treten in vielen Bereichen an die Stelle einer kritischen
Reflexion. Das soll nicht heißen, daß normative Elemente auszuklammern
sind oder ausgeklammert werden könnten. Sie haben eine bedeutende
erkenntnisleitende Funktion, die aber als solche ebenfalls der reflexiven
Kontrolle unterworfen werden muß.
Besonders wichtig ist mir in diesem Zusammenhang der (hier zum ersten
Mal veröffentlichte) Aufsatz "Über den Unterschied zwischen Internalisierung
und Umweltpolitik", in dem versucht wird, mehr analytische Klarheit in
die völlig unzulängliche Diskussion zu bringen. Vertreten wird
eine auf den ersten Blick verwirrende Sicht, wonach die Internalisierung
externer Kosten, lediglich als eine Bedingung der optimalen Allokation
bei einem Preis von Null für die Umwelt verstanden werden muß.
Internalisierung ist danach unabhängig von ökologischen Zielen
eine originäre wirtschaftspolitische Aufgabe. Der Umweltpolitik kommt
demgegenüber die Aufgabe zu, entsprechend den Präferenzen für
die Umweltqualität einen positiven Preis für die Umwelt durchzusetzen.
In den Ausführungen "Zum Politik- und Ökonomieversagen in
der ökologischen Steuerpolitik" wird vor allem zu zeigen versucht,
wie losgelöst von den realen Preisentwicklungen der jüngsten
Zeit die Diskussion um Ökosteuern insbesondere im Energiebereich geführt
wird.
Der Aufsatz über "Entkopplung von Energieverbrauch und Wachstum
des Sozialprodukts?" ist eine kritische Auseinandersetzung mit der These,
der endogene wirtschaftliche Strukturwandel liefe auf eine Schonung der
Umwelt hinaus. Der Beitrag kritisiert die üblichen Trendbetrachtungen,
nach denen eine Entkopplung in der Tat, sofern man eine geeignete Periodenabgrenzung
wählt, evident zu sein scheint. Übersehen wird bei dieser Betrachtung
allerdings die konjunkturelle Seite der Entkopplung. Richtet man den Blick
darauf, dann zeigt sich, daß es neben der nicht zu leugnenden Tendenz
zur spezifischen Energie- und Materialeinsparung einen Effekt gibt, der
mit der Unterbeschäftigung zusammenhängt und deshalb bei Vollbeschäftigung
bzw. bei Wachstumraten, die deutlich über die gesamtwirtschaftliche
Produktivitätsentwicklung hinausgehen, ieder verschwindet. Der Beitrag
versucht eine Schumpeterianische Erklärung für dieses Phänomen,
das sich in über- bzw. unterproportionalen Veränderungen spezifischer
Energieverbräuche im Vergleich zum Konjunkturverlauf niederschlägt.
In den Jahren 1989 folgende hat in der umweltpolitischen Diskussion
der Binnenmarkt ab 1992 eine große Rolle gespielt. Der Beitrag "Umweltpolitik
und EG-Binnenmarkt - Handlungsspielräume der Politik und der Wirtschaft"
geht auf das damals diskutierte Thema ein, wonach der vom Binnenmarkt ausgehende
Wachstumsschub mit dem Umweltschutz kollidiert. Eine besondere Rolle haben
dabei die Lieberalisierung der Märkte zu Gunsten ökonomischer
Effizienz und die Entwicklung des Güterverkehrs gespielt.
Der Beitrag "Die Karawane zieht weiter - Zur umweltpolitischen Relevanz
der Umweltökonomie" thematisiert den zu recht vergeblichen Versuch,
umweltpolitische Maßnahmen positive Beschäftigungseffekte zuzuschreiben.
Die löbliche Absicht, den Umweltschutz vom Stigma der Arbeitsplatzvernichtung
zu befreien, wurde seit Mitte der 70er Jahre mit bloßer empirischer
Evidenz verfolgt und in den 90er Jahren zusätzlich mit durch Öko-Steuern
finanzierte Umschichtungen in den öffentlichen Haushalten zu stützen
versucht. Trotz gewisser Erfolge in den Medien und in bezug auf politische
Forderungen konnten beide Ansätze mangels theoretischer Fundierung
aber nicht verhindern, daß die Umweltpolitik in wirtschaftlich schwierigen
Zeiten nach wie vor die Rolle des "Pausenclowns" einnimmt. Daß dies
so ist, folgt letzten Ende aus dem beschäftigungstheoretischen Defizit
der Ökonomie, das mit Umweltpolitik sicherlich nichts zu tun hat.
Das Kapitel "Preise, Mengen und Selbstverpflichtungen" thematisiert
unter verschiedenen Aspekten die zentrale Rolle der Preise in einer marktwirtschaftlich
ausgerichteten Umweltpolitik. In dem bereits 1980 erschienen Beitrag "Umweltpolitik
in der Marktwirtschaft" wird der Preissteuerung die Aufgabe zugewiesen,
die ökonomischen Interessen auf ökologische Ziele zu richten.
Der Beitrag "Nachhaltige Entwicklung und Güterverkehr" wendet sich
gegen die in bezug auf CO2 allgemein herrschende Tendenz, aus technischen
Reduktionspotentialen in einzelnen Bereichen eine sektorspezifische Politik
zu konstruieren, die ganz eindeutig gegen die Bedingung einer effizienten
Allokation gerichtet ist, weil sie unterschiedliche Grenzvermeidungskosten
geradezu zementiert. Im Zentrum steht dabei der Gütertransport, der
zugleich Ursache und Folge von Wohlstand, Arbeitsteilung und Globalisierung
der Märkte ist. Seit dem Altertum haben sich die Staaten daher um
die Schaffung günstiger Voraussetzungen für den Güterverkehr
bemüht. Von daher ist es verständlich, daß sich die Politik
schwer tut, der Dynamik der Transportnachfrage einen Riegel vorzuschieben.
Aber der gesamtwirtschaftliche Preis einer aus höheren Transportkosten
sich ergebenden weniger arbeitsteiligen Produktion im Raum liegt "nur"
in einer temporär niedrigeren Produktivitätsentwicklung. Zu welchen
weiteren Diskussionen, aber auch Konfusionen die Instrumentendebatte geführt
hat, zeigt der Beitrag "Steuern, handelbare Emissionsrechte und steuerliche
Entlastungen" Hervorgehoben werden soll hier nur das Stichwort "Restverschmutzungsabgabe"
weil längst nicht akzeptiert ist, daß zwischen einer solchen
Abgabe und Marktpreisen eine klare Analogie besteht.
Im Beitrag "Probleme der Finanzwissenschaft mit Öko-Abgaben" wird
die nach wie vor bestehende Distanz einiger Finanzwissenschaftler, die
sich auch Finanzverfassungsrechtler zu eigen machen, gegenüber steuerlichen
Instrumenten in der Umweltpolitik angesprochen. Hier zeigt sich, daß
es die Ökonomen auf ihrem ureigensten Feld nicht geschafft haben,
die Rolle von Preisen in der marktwirtschaftlichen Ordnung so ins Bewußtsein
zu bringen, daß sich auch Juristen nicht einfach darüber hinwegsetzen
können.
Der 1989 erschienene Aufsatz "Wirtschaftliche Anreize im Immissionsschutzgesetz?"
setzt sich mit den Schwierigkeiten auseinander, mehr ökonomisches
Kalkül innerhalb des Ordnungsrechts zuzulassen. Die seither gemachten
Erfahrungen zeigen, daß Korrekturen im Detail völlig spurlos
an der Dominanz des Ordnungsrechts vorbeigehen.
Der Aufsatz "Ordnungspolitische Aspekte der EG-Öko-Audit-Verordnung"
befaßt sich mit einer Art von freiwilligen Selbstverpflichtungen,
bei der sich einzelne Unternehmen für einen bestimmten Produktionsstandort
verpflichten, mehr für den Umweltschutz zu tun als das geltende Recht
verlangt. Mit der Verordnung hat sich die Umweltpolitik eines Instruments
bemächtigt, dessen grundlegende Mängel erst allmählich deutlich
werden, nachdem die anfängliche Euphorie einer nüchternen Betrachtung
des dafür notwendigen bürokratischen Aufwandes und der betriebswirtschaftlichen
Kosten weicht. Noch haben aber Umweltpolitiker nicht realisiert, daß
sie letztlich ökologische Symbolik gegen eine wirksame Politik eingetauscht
haben.
Ordnungspolitisch betrachtet ist die Öko-Audit-Verordnung exemplarisch
dafür, welche geringe Rolle das Anreizparadigma der Marktwirtschaft
in der umweltpolitischen Auseinandersetzung spielt und wie mit vermeintlich
weichen Instrumenten gerade das provoziert wird, was am meisten zu befürchten
ist, nämlich die schleichende Aushöhlung der marktwirtschaftlichen
Ordnung.
Das Kapitel "Politikmuster" ist ebenso wie meine an anderer Stelle publizierten
Überlegungen zum Einsatz von mengensteuernden Instrumenten geleitet
von dem Ziel, nach möglichst einfachen Bedingungen für die Beeinflussung
der Akteure zu suchen. Für den langen Weg in Richtung nachhaltiger
Formen des Wirtschaftens kommt es weniger auf ökologische Feinsteuerung
an, als auf die Generierung dynamischer Prozesse. Die drei hier vorgestellten
Beispiele für politische Ansätze dürften daher Umweltpolitikern,
welche glauben, man müßte beispielsweise die Ergebnisse von
Ökobilanzen, vorhandenen technischen Lösungen oder auch Grenzwertfeststellungen
möglichst exakt instrumentell umsetzen, ein weites Feld für
Bedenken bieten. Aber es geht in einer ökologischen Marktwirtschaft
nicht um statische Optimierungen. Wenn daher einige ökologische Eingriffe
unterbleiben, so ist das unerheblich, solange der Anpassungs- und Entdeckungsprozeß
im ganzen in die richtige Richtung getrieben wird.
Das Papier über "Europäische Optionen der Kohlendioxid-Politik"
geht aus von dem Vorschlag der Europäischen Kommission aus dem Jahre
1992 zur Einfürhung einer Steuer auf Kohlendioxid-Emissionen und Energie.
Kritisiert wird der enge finanzwirtschaftliche Ansatz, der dem Binnenmarkt
nicht gerecht wird und sich zudem durch das Fehlen einer Perspektive für
ein europäisches Steuersystem auszeichnet. Man mag einwenden, daß
ja bekanntlich der vorliegende Entwurf schon nicht konsensfähig war
und deshalb weitergehende Konzeptionen niemals hätten im politischen
Prozeß relevant werden können. Dies entkräftet allerdings
noch nicht die hier vertretene Auffassung, wonach eine umfassendere steuerpolitische
Perspektive für die Union nicht ohne Einfluß auf die Position
der Mitgliedstaaten gewesen wäre. Ein mutigerer Entwurf aus Brüssel
hätte möglicherweise jenen Minimalkonsens herbeiführen können,
auf den zumindest einige Mitgliedstaaten immer noch warten.
Eingehend auf die besondere deutsche Situation der Abschottung des Kohlemarktes
vom Weltmarkt und der bisherigen Art der Finanzierung der teueren deutschen
Steinkohle wird in diesem Beitrag auch gezeigt, daß aus dem "Kohle-Pfennig"
eine CO2-Abgabe hätte gemacht werden können, die gemessen am
Brüsseler Konzept in der Größenordnung von 20$ pro Barrel
Mineröl gelegen hätte. Statt sich also die Subventionierung der
deutschen Steinkohle von Brüssel vorwerfen zu lassen, hätte die
Bundesregierung eine CO2-politische Vorreiterrolle (im Vergleich zur Öffnung
des deutschen Marktes für Weltmarktkohle) einnehmen können. Diese
Möglichkeiten sind aber vertan worden. Und mit der ersatzlosen Abschaffung
des Kohle-Pfennigs und der Finanzierung über den allgemeinen Haushalt
ist ein weiterer Schritt weg vom Verursacherprinzip und hin zum emeinlastprinzip
vollzogen worden.
Das "Modell einer Deponiesteuer ist 1992 konzipiert worden als Alternative
zu einer Abfallwirtschaftspolitik, die sich allmählich zu einem der
großen Interventionsfelder entwickelt, das sogar zu Anpassungen im
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen fürhen könnten. Die
Abfallwirtschaftsolitik steht der in den letzten 25 Jahren hochgezüchteten
Luft- und Wasserreinhaltepolitik jetzt schon kaum mehr nach. Dem Drang
zu einem vermeintlich ökologischen Steuerungsperfektionismus sind
kaum Grenzen gesetzt, wenn man daran denkt, daß theoretisch für
jedes Produkt ein spezifisches abfallwirtschaftliches Regime installiert
werden könnte. Ganz bewußt werden in der Konzeption einer Deponiesteuer
Ordnungsrecht und steuerlicher Anreiz nicht in einem komplizierten Mischinstrument
zusammengebracht, sondern die funktionale Arbeitsteilung zwischen beiden
Instrumenten etont.
In der Ausarbeitung "Europäische VOC-Politik mit Lizenzen" wird
gezeigt, wie sehr die Europäische Kommission in der Luftreinhaltepolitik
weiterhin dem ordnungsrechtlichen Ansatz folgt sowie Ansätze für
ökonomische Instrumente, wie etwa die schweizerische VOC-Lenkungsabgabe,
in ihren Überlegungen unberücksichtigt läßt. Lediglich
in den Mitgliedstaaten soll es nach dem im November 1996 vorgelegten Vorschlag
der Europäischen Kommission für den Entwurf einer VOC-Richtlinie
des Rates möglich sein, flexible Instrumente aus Effizienzgründen
einzusetzen, und zwar obwohl zugegeben wird, daß dies zu Wettbewerbsverzerrungen
in der Union führt. In dem Papier werden die verschiedenen Alternativen
zur Reduktion der VOC-Emissionen (Vorläufersubstanz für bodennahes
Ozon) skizziert und ein EU-weites Lizenzmodell vorgestellt, das auf der
Ebene der Hersteller von Lösemitteln ansetzt.
Das abschließende Kapitel "Wirtschaftspolitik und Nachhaltigkeit"
greift noch einmal einige der im ersten Kapitel behandelten Aspekte vorwiegend
aus ordnungspolitischer Perspektive auf. Im Hintergrund der Überlegungen
steht die Frage nach der Zukunft der Wirtschaftsordnung. Aus dem Beitrag
"Wirtschaftspolitische Visionen für eine nachhaltige Entwicklung"
soll an dieser Stelle besonders der Gedanke der "Entwicklungsfallen" hervorgehoben
werden. Es geht dabei um Bedingungen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Entwicklung, die Entscheidungsprozesse auf der Ebene des Gemeinwesens erfordern.
Anders gesagt: Es geht um Rahmenbedingungen für die Erweiterung, die
Optimierung und schließlich für die Erhaltung des ystems Marktwirtschaft
im Sinne einer Überwindung auch der jetzt sichtbar gewordenen "ökologischen
Entwicklungsfalle"
Der Aufsatz "Für eine ökologische Wirtschaftsordnung" setzt
sich unter anderem auseinander mit der selbstzerstörerischen Entwicklungslogik
des privatökonomischen Systems. Betont wird die zentrale Bedeutung
von Orndungsregeln als der Ort der Moral in einer Marktwirtschaft. Die
Abhandlung "Zur Rezeption von Nachhaltigkeit durch die Ökonomie" bezieht
sich im wesentlichen auf die im März 1996 beim Freiburger Symposion
vorgestellten Studien über ordnungspolitische Grundfragen einer Politik
der Nachhaltigkeit, die im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft
von führenden wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstituten erstellt
worden sind. Im Zentrum steht die kritische Reflexion des Leitbildes einer
ökologie-, ökonomie- und sozialverträglichen Entwicklung.
Unter anderem wird die These vertreten, daß mit den Bedingungen der
Ökonomie- und Sozialverträglichkeit vage, aber gleichwohl wirksame
interessenpolitische Blokkaden errichtet werden. Kontraproduktiv im Sinne
einer nachhaltigen Entwicklung wird das Leitbild aber erst richtig, wenn
versucht wird, es konstruktivistisch auszufüllen und als politische
Handlungsvorgabe zu mißbrauchen. Die Politik braucht Visionen, aber
wenn sie sich an visionären Endzuständen dogmatisch zu orientieren
beginnt, gerät sie in Widerspruch zur offenen Gesellschaft und untergräbt
ihre Chancen, die Probleme von heute zu lösen.